Mitleid & Mitgefühl

Allzu oft sind unsere Herzen zu. Der Schutzschild, den aufzubauen uns gewisse Erfahrungen gelehrt haben, funktioniert. Vieles prallt ab. Hin und wieder aber durchdringt etwas diesen Panzer, unerwartet, und trifft uns wie ein Pfeil mitten im Herzen. Der Tod eines lieben Menschen zum Beispiel, eines Kindes vielleicht, oder die Nachricht von einem besonders schlimmen Unglück, die unsere Vorstellungskraft unabwendbar aktiviert, wie jene vom voll besetzten Bus, der nach einem Bremsversagen hundert Meter in die Tiefe stürzte ... Dann fallen wir gern ins andere Extrem und verspüren Beklemmung, Schmerz ... und wir leiden mit den Betroffenen mit.
Was aber machen wir in diesem Augenblick genau?
Wir erheben uns über deren Schicksal, gerade so,
als könnten wir wissen, welche Erfahrung für die Seele der Betroffenen die bessere ist.

Zudem aber greifen wir mit unseren Gedanken störend in einen für die Geprüften wesentlichen Prozess ein. Es ist eine eindrückliche Erfahrung, eine Erkenntnis, die sich beim Familienstellen immer wieder zeigt, dass Mitleid jene Personen, denen es gilt, schwächt. Wie so oft zeigt sich auch hier die unglaubliche Macht unserer Gedanken.

Sehen wir genau hin, so erkennen wir,
dass Mitleid immer aus unserem Denken
kommt, aus realitätsfremdem Denken.
Und das dient nicht.
Was hier angemessen wäre, ist Mitgefühl. Ein herzwarmes Mitfühlen, das anerkennt, was ist. Ein Mitgefühl, das zustimmt - dem Schicksal des anderen zustimmt - wie es ist, so schwer es auch sein mag.

Dann kommen wir in Verbindung mit der großen Bewegung, und aus diesem Einklang fließt dem anderen Kraft zu.

Dieses Mitgefühl aber ist eine Herzenshaltung.
Wenn wir sie tief in uns fühlen, dient sie dem anderen.